Aktivsenioren können wichtige Ratgeber für Existenzgründer und Unternehmen sein
LKR. HASSBERGE (GS) Mit der Weitergabe ihrer Berufs- und Lebenserfahrung leisten sie einen wichtigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Beitrag, dazu noch ehrenamtlich und ohne Honorar.„Nein – Gewinn und Umsatz ist nicht dasselbe“ – die Karikatur, die auf „Erfolg“, dem Informationsblatt der Aktivsenioren, prangt, trifft den Nagel auf den Kopf. Existenzgründer verwechseln oft einen guten Geschäftsgang mit Gewinn und vergessen darüber die Kosten. Außerdem tauchen Fragen über Fragen auf. Schon allein der Geschäftsplan, oft die Grundlage für nötige Kredite, muss wohlüberlegt werden. Hilfe wird zwar von allen Seiten angeboten, doch manche Berater und Vertreter sehen mehr ihren Eigennutz als die Nöte der neuen Geschäftsleute. Doch es geht auch anders. Aktiv-Senioren sind zwar keine Zauberer, keine Finanzjongleure, aber auch keine Drahtseiltänzer. Aktiv-Senioren sind Menschen, die ihr Leben lang in der Wirtschaft tätig waren, die mit realem Blick und gesundem Menschenverstand sowie beiden Beinen im Leben standen und nach ihrer Pensionierung ihren Erfahrungsschatz weitergeben wollen. Sie wollen nicht nur den ganzen Tag Zeitung lesen, jedes Beet im Garten zum zehnten Mal durchharken und täglich pünktlich ihren Kaffee im Stehcafe schlürfen, sondern noch zu etwas nütze sein. Im Arbeitsleben waren sie oft sogenannte Workaholicer, hatten ein Tagespensum von mindestens zwölf Stunden und konnten sich nicht damit abfinden von 130 auf 20 abzusacken. Bayernweit sind es 350 Mitglieder, die sich in den sieben Regionalstellen, deckungsgleich mit den Bezirken, zusammengeschlossen haben und bestrebt sind, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Sie sind unabhängig, nehmen sich die Zeit, haben aber auch den nötigen Abstand zu beruflichen Problemen. Strategie, Finanzierung, Controlling oder Organisation sind für sie keine böhmischen Dörfer. Dazu arbeiten sie ehrenamtlich, vertraulich und fast honorarfrei. Lediglich eine Pauschale von 85 Euro als Kostendeckungsbeitrag zur Finanzierung der Vereinsorganisation sowie Auslagen wie Reisekosten fallen für den Klienten an. Hildegard Ertel aus Schweinfurt, im früheren Arbeitsleben bei einem Nahrungsmittelkonzern für Rechnungswesen und Betriebswirtschaft tätig, ist die Regionalchefin. 30 Aktivsenioren in Unterfranken werden von ihr organisiert. Einer davon ist Günther Schmitt (72) aus Volkach, der Geschäftsführer bei der BayWa in Kitzingen war und mit 63 Jahren in Ruhestand ging. Über seinen Kollegen, dem leider verstorbenen Walter Kleinwächter aus Hofheim, kam er zu den Aktiv-Senioren. „Irgendwie ist mir nach zwei Jahren die Decke auf den Kopf gefallen“, sagt Schmitt und war froh, dass er sein Wissen wieder einbringen konnte. Im Landkreis Haßberge kommen die meisten Kontakte über die Gründer-Initiative von Helmut Hey am Landratsamt zustande. Immer dann, wenn einmal im Monat ein Vortrag für die Existenzgründer stattfindet, haben die Aktiv-Senioren ihre kostenfreie Sprechstunde am Landratsamt. Aus diesem Vorgespräch kann sich dann ein Beratungsantrag entwickeln. So war es auch im letzten Jahr bei Anja Gaukler, die als Berufskraftfahrerin die Idee hatte, einen Personen- und Kleingütertransport zu gründen. Die gelernte Einzelhandelskauffrau mit dem Diesel im Blut, die eigentlich ein bestehendes Unternehmen übernehmen wollte, wurde von Günther Schmitt beraten. Er erstellte mit ihr den Businessplan, half mit bei der Fahrzeugauswahl, stellte den Kapitalbedarf fest, absolvierte mit ihr das Trainingsprogramm „Wie werde ich Platzhirsch“, arbeitete für sie Planzahlen aus, nahm ihr auch die Illusionen, dass alles wie geschmiert läuft („drei Monate Durststrecke gehören dazu“), checkte die Vorschriften des Transportunterwesens durch, und, und, und. Vor allem gab er aber auch hinsichtlich der Bürokratie im Lande – schließlich braucht man für jede Genehmigung eine Genehmigung – Ratschläge und den Mut, alles so zu nehmen wie es ist. „Er hat mir unbürokratisch geholfen, noch heute kann ich mit Problemen zu ihm kommen. Vor allem aber hat er mir viele menschliche Tipps gegeben“, sagt Anja Gaukler über ihren Mentor. Und für Günter Schmitt ist die resolute Powerfrau das beste Beispiel einer erfolgreichen Zusammenarbeit. Schließlich hat Anja Gaukler in nicht einmal einem Jahr es zu zwei Taxis, einem Mietwagen, einer angestellten Vollzeitkraft und drei Aushilfskräften gebracht. Sie bietet Flughafentransfer an, übernimmt Kurierdienste und Kleintransporte und ist rund um die Uhr für ihre Kunden da. Zum ersten Jahrestag ihres Bestehens nimmt sie einen neuen Servicedienst ins Programm auf: „den Autobringservice ABS“. Was das ist, erklärt Günter Schmitt: „Falls Sie bei einem Weinfestbesuch doch etwas trinken und als verantwortungsvoller Mensch nicht mehr fahren wollen, rufen Sie Frau Gaukler an. Sie kommt mit ihrem Taxi und einem zweiten Fahrer, damit Sie sicher nach Hause und Ihr Auto in die eigene Garage kommt.“ Der Preis? Der eineinhalbfache Taxitarif. Erfolge wie im Falle Gaukler sind auch für einen Aktiv-Senioren wie Günther Schmitt der schönste Lohn für seine Arbeit. Für Zahlenmensch Hildegard Ertel zählen andere Werte: In 23 Jahren haben die Aktivsenioren 13 000 Klienten gewonnen und hochgerechnet 38 000 Arbeitsplätze gesichert. Dazu kommen noch als Zugabe 2000 Firmen mit 6000 Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern. Gäbe es das „Alt hilft Jung“ noch nicht, müsste man die Aktiv-Senioren direkt erfinden.
Weitere Information gibt es im Internet unter www.aktivsenioren.de bzw. bei Hildegard Ertel unter Telefon 09721/31376.
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